Freunde sind gestorben – der Wunsch die Verbindung und Erinnerung an das Ehepaar in besonderer Weise zum Ausdruck zu bringen wächst. Im Gespräch mit meinem Kunden entstand die einzigartige Idee für dieses besondere Lebensschmuck Projekt.
Schmuck mit Geschichte im Wandel zu etwas Neuem. Rheingold.
Es gibt Menschen, die einen lange begleiten und ans Herz wachsen.
So meine Kunden Waltraud, Günther und Karl-Heinz. Sie waren zu dritt seit Beginn meiner Selbstständigkeit 2001 an meiner Seite.
Sie haben den Umzug von der Nordstadt in die Innenstadt und 2006 die Gründung der Schmuckgalerie an der Kleppingstrasse miterlebt. Aus einem anfänglichen Kundenkontakt entwickelte sich eine ungewöhnliche Freundschaft mit wunderbaren gemeinsamen Abenden, bei gutem Essen und Wein, gegenseitiger Neugier und einem inspirierenden gegenseitigen Austausch.
Gespräche mit den Dreien haben mir manches Mal in schweren Zeiten wieder Aufwind gegeben. Obwohl Waltraud und Günther leider plötzlich gehen mussten, ist der Kontakt zwischen Karl-Heinz und mir geblieben und zu meiner Überraschung lernen wir uns erst jetzt richtig kennen. Es besteht einfach ein Unterschied, ob man zu viert oder zu zweit zusammensitzt.
Das Thema LOSLASSEN ist ein zentrales Thema in unserem Leben. Es ist ein Prozess und kann nicht übers Knie gebrochen, beschleunigt oder erzwungen werden. So saßen wir einige Abende zusammen, der Tisch voller Schmuckstücke, alte Erbstücke aus Waltrauds Familie, Modeschmuck, Schmuckstücke, die ich damals für sie angefertigt oder umgearbeitet habe und zudem die Trauringe von Waltraud und Günther. Geschichten wurden erzählt und Erinnerungen hingen in der Luft. Es ging darum zu sichten und zu sortieren. Was kann weg und was darf bleiben?
Und letzten Endes konzentrierten sich unsere Gedanken und Pläne auf die Trauringe.
Was ist damit zu tun?
Gemeinsam entwickelten wir ein paar mögliche Szenarien.
Verwandele ich die Ringe in ein tragbares Schmuckstück für Karl-Heinz?
Entsteht eine kleine Wandcollage, ein kleiner Erinnerungsschrein?
Verkauft er die Ringe und stiftet das Geld einem guten Zweck?
Oder werden die Ringe eingeschmolzen, damit Karl-Heinz sie in den Fluss werfen kann?
Für Karl-Heinz zeichnete sich immer mehr ab, dass es nicht um den materiellen, sondern den ideellen und symbolischen Wert der Ringe geht und um den Prozess des Loslassens. Die Ringe sollten also dem Feuer übergeben werden und aus dem „Andrea, schmelze sie bitte für mich ein!“ wurde ein „Nein, das erleben wir gemeinsam.“
Es ist ein sehr archaischer Moment, wenn man etwas einschmilzt. Es ist heiß, der Brenner ist sehr laut und unwiderruflich wurde aus zwei Ringen ein einziger rotglühender Drops.
Die Lebensspuren auf den Ringen sind nun für immer verschwunden. Die individuelle Gravur in den Ringen wurde durch das Kennenlerndatum der Beiden auf dem Drop ersetzt.
Bei dieser Zusammenarbeit ging es darum einen inneren Prozess materiell sichtbar zu machen. Ich bin fest davon überzeugt, dass es etwas mit uns macht, wenn wir etwas mit den Dingen tun. Wir sehen und erfahren Veränderung und letzten Endes liegt etwas Verwandeltes vor uns auf dem Tisch. Bis hierhin habe ich Karl-Heinz auf seinem Weg begleitet. Ich danke ihm für seine Offenheit und sein Vertrauen und wünsche ihm alles Gute für seinen weiteren Weg.
Hier der sehr persönliche Text von Karl-Heinz:
Rheingold
Meine besten Freunde sind gestorben. Freunde? Nein, Lebensgefährten: denn seit mehr als dreißig Jahren haben wir zusammen geplant, Urlaube verbracht, gelebt, unsere Lebensringe eng verflochten.
Vor vier Jahren starb Waltraud und dann im Juli letzten Jahres Günther. Zurück blieb das Wissen um das Fortbestehen unserer Verbindung im spirituellen Geist; aber das ist eine andere Geschichte.
Zurück blieben auch persönliche Gegenstände, die mich immer wieder an Episoden unseres Zusammenlebens erinnern und die ich einer neuen Bestimmung zuführen soll. Und das sollte ich bald tun. Denn weiß ich, ob ich den nächsten Lebensring noch vollenden kann?
Da sind die Eheringe von Waltraud und Günther. Was soll damit geschehen? Verkaufen und das Geld spenden? In die Gräber legen? Ganz einfach liegen lassen als Erinnerungsstücke? Was geschieht damit, wenn ich nicht mehr entscheiden kann?
Fragen, die ich meinen Freunden stellte und auch mit Pater Paul, dem Zen-Lehrer in Essen, beim Dokusan besprach.
Bereits zum Beginn der Fragestellung war es auch Andrea Schmidt, sie hat ihr Goldschmiedeatelier in der Kleppingstrasse, die einige Möglichkeiten aufzeigte. Andrea kenne ich aus den Anfängen ihres Wirkens in Dortmund, als Waltraud sie in ihrer damaligen Werkstatt in Lindenhorst aufsuchte.
Die Begegnungen waren sporadisch und meist Eventgebunden, doch konnte ich den Werdegang miterleben und staunte über die Selbstverständlichkeit, wie edle Metalle mit „profanen“ Werkstoffen sich verbinden ließen. Und das jetzige Atelier trägt zu recht die Vokabel „anders“ im Namen. So oft ich dort vorbei komme, bewundere ich die Schmuckstücke, die wirklich anders sind als das, was ich aus anderen Goldschmieden kenne.
Es lässt sich nicht so einfach beschreiben, aber bei mir entsteht der Eindruck, dass die Schmuckstücke bei Andrea „beseelt“ sind. Auch, dass Andrea anderen Schmuckkünstlerinnen die Gelegenheit bietet, ihre Kreationen bei ihr auszustellen, gefällt mir. Hierdurch wird die Vielfalt der künstlerischen Gestaltung im Schmuckbereich deutlich.
So ist es auch mit der Präsentation der Stücke, die mit zarten Akzenten das Publikum anzusprechen sucht. Mir gefällt das.
Ich selbst bin als Nicht-Schmuckträger für Andrea geschäftlich sicher uninteressant, freue mich aber, dass aus den anfänglich etwas scheuen Kontakten inzwischen eine Freundschaft entstanden ist, die sehr sensible Gespräche zulässt.
Und so ist dann letztlich aus der Geschichte der beiden Ringträger dieser Entschluss entstanden: Waltraud und Günther haben sich in Mannheim kennengelernt und haben dort auch geheiratet. Waltraud ist gebürtige Mannheimerin. So lange wir uns kennen, sind Wagners Opern zum „Ring des Nibelungen“ Highlights in unserem Theaterprogramm. Beiden war das Datum des Kennenlernens, der 24.4.1965, sehr wichtig.
Nun sind sie im Kosmos für immer vereint. Warum sollen die beiden Ringe dann nicht ebenso vereint werden, das heißt miteinander verschmolzen? Dies soll in Andreas’ Atelier in gemeinsamer Arbeit geschehen. Der Goldklumpen erhält als Gravur das den beiden wichtige Datum.
Ja, und schließlich werde ich dieses Nugget in Mannheim dem Rhein übergeben, Rheingold eben. Ich bin sicher, und das habe ich in meinen Meditationen gespürt, Waltraud und Günther sind mit diesem Tun völlig einverstanden.
Im Herbst hat Karl-Heinz das Nugget dem Rhein übergeben. Losgelassen.
Es war eine wunderbare Erfahrung, dieses Tun mit Andrea zu Ende zu bringen und wird mir unvergesslich sein.
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Hat dies auf Titel der Website rebloggt und kommentierte:
Es war eine wunderbare Erfahrung, dieses Projekt mit Andrea durchzuführen. Danke für die Zeit, die Du hierfür gegeben hast.
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